der Spiegel ist alt.

Begonnen von Sandra, 10. Juli 2005, 19:26:32

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Sandra

Sagt mal, geht Euch das eigentlich auch so auf den Keks, dassder Spiegel mit dem Wendeaust so unglaublich rechts geworden ist?
Gibt es jetzt noch eine QUALITÄTS-Zeitung, die nicht in einem vorauseilenden Automatismus sofort auf jene, die  die Macht zu verlieren drohen, hinhaut?
Alle loben nur noch die Merkel - Konzeptlosigkeit ist wurscht - die sich (vermutlich ebenfalls in vorauseilender Anpassung) ausser botox im Gesicht nix Neues einfallen lässt.
Mich nervt das tierisch, dass es irgendwie schon von den Zeitungen festgeschrieben ist, dass sie jetzt die Wahl gewinnt, und sowieso viel besser ist als der Schröder.
ICH seh das nämlich nicht so aus ausgemachte Sache, und hätte da gerne ein bissel Diskussion darüber verfolgt.
Und dass der Lafontaine in rechten gewässern fischt, wird als lässlich angesehen, ansonsten wird allgemeines Sozialisten-Bashing betrieben. So scheint's mir jedenfalls. Überall nur noch Titelfotos von :"Schröder-the Looser/Merkel the winner" und dementsprechende Artikel.

Bassmeister

#1
Probier mal die TAZ  (www.taz.de) .
Ist n ziemlich linkes Blatt, aber hat einfach mal noch ganz nen anderen Blickwinkel.
[size=9]Nicht alles, was zwei Backen hat, ist ein Gesicht...[/size]

Bastian

#2
Mir geht der Spiegel schon länger auf den Sack. Aber aus anderen Gründen. Ich hab nicht den Eindruck, dass er rechts geworden sei, in der letzten Ausgabe sind doch sowohl das Kanzler als auch das Merkel auseinandergenommen worden. Ich hab eher den Eindruck der spiegel versteht sich als die Geheimnisposaune des Intellektuellenboulevards, und als solcher sieht er sich verpflichtet, sowohl bekannt zu geben, wo Herr Parteimann Soundso sich um 11:53 streng vertraulich und insgeheim an Parteifrau Dingsbums gewandt hat, als auch wortgetreu weiterzugeben, was er ihr ins Ohr geflüstert hat.

Und er fühlt sich offenbar auch verpflichtet, das momentane weise Kopfkratzen der Linken zu bedienen, das das intelligenteste zu sein scheint, was sie zur Zeit zusammenbringt.

Er arbeitet sich also genau genommen an sich selbst ab. Und er lässt die ganze Welt wissen, wie klasse er sich dabei findet.

Vielleicht wirkt er deshalb rechts auf dich. :D

(Hm, ich sollte vielleicht mal Johanniskraut nehmen, ich bin heute so unleidig...)

Sandra

#3
Na, dann überleg dir mal die letzten Titelbilder der letzten Wochen.
Das war klare Meinungsmache.

die Taz ist ganz okay, aber so schrecklich antiintellektuell. diese Sprache! nervt mich dann auch wieder auf die Dauer - ausserdem: ich will ja kein LINKES Blatt, sondern eines, das humanistisch orientiert ist, und Dinge zur Diskussion stellt. Vielleicht ist "sanft" links die Beschreibung. Oder links-liberal.
Auf jeden Fall eines, das mich intellektuell bereichert und anspricht, und nicht SO dezidiert nach einer Seite schielt. Und der Spiegel schielt schon eine ganze Weile.

Guntram

#4
Wen wundert es, das schwarz-gelb als der ausgemachte Gewinner der Wahl gilt, obwohl es noch nicht einmal feststeht, das es eine Wahl gibt. Köhler hat noch nichts entschieden.

Die SPD hat nichts unterlassen um sich unbeliebt zu machen. Reformen werden groß angekündigt, im letzten Moment aus Angst vor der eigenen Courage verwässert, weil irgendwelche Parteiflügel oder Lobbisten schreien. Gesetze werden unprofessionell zusammengezimmert, so das jeder Richter sie hinterher durch Urteile zerpflücken kann. Die Steuergesetze und Arbeitsrecht ändern sich so schnell, das kein Unternehmer länger als ein halbes Jahr im vorrraus planen kann, welcher Unternehmer will da schon groß investieren? Großprojekte werden zu Lachnummern, siehe LKW Maut. Usw. usw. Das ist alles keine Arbeit von Profis. Man hat den Eindruck eines großen Kindergartens wo jeder mal mit den Bauklötzen darf und hinterher wird geschaut ob der Turm stehen bleibt.

Nach der Ankündigung Schröders verhält sich die gesamte Regierung samt ihrer Parteien im Anhang als wenn sie schon in der Opposition wäre und die Opposition als ob sie die Regierung wäre (vorauseilender Gehorsam???). Müntefering macht unmöglich einzuhaltende und unseriöse Versprechen um Gewerkschaften und Arbeitnehmer auf die SPD Seite zu ziehen.

Die Grünen machen Wirtschaftsthemen zu ihren Hauptthemen. Von Grün kaum noch eine Spur im Wahlprogramm. Der größte Witz ist, das Deutsche im Ausland hier auch noch Steuern zahlen sollen.
http://www.n-tv.de/553948.html

Dann auch noch Gysi und Lafontaine die Stimmen von der SPD abgreifen.

CDU/CSU/FDP muß doch eigentlich nichts machen außer warten. SPD und Grüne werden sich schon selbst alles tun um zu verlieren.

Schröder ist Showman und ein Feigling. Scheißkombination! Wenn es wirklich hart wird zieht es den Schwanz ein. Anstatt zurückzutreten das Spiel mit der Vertrauensfrage.
http://www.n-tv.de/553948.html
Jetzt steht er wieder am Zaun des Kanzleramtes. Diesmal aber innen und schreit "Ich bin der Bundeskanzler, holt mich hier raus!"

Das war Helmut Schmidt noch ein anderes Kaliber. Ich habe es noch deutlich im Ohr (damals live im Radio mitgehört), als er der FDP im Bundestag die Koalition aufkündigte und damit sein eigenes Ende besiegelte.
Träume sind nicht Schäume, sind nicht Schall und Rauch,
sondern unser Leben so wie wache Stunden auch.
Wirklichkeit heißt Spesen, Träume sind Ertrag. Träume sind uns sicher schwarz auf weiß wie Nac

Bassmeister

Richtig spannend wäre doch mal, wenn Köhler jetzt "Nein" sagen würde. Wenn er sagte:"Was Ihr Euch eingebrockt habt, das löffelt ihr jetzt auch aus."
Ich weiß, so einfach ist das nicht. Doch Reformen brauchen zuweilen auch einfach Zeit, um zu wirken. Die nimmt man sich nicht, genau wie in der Wirtschaft, länger als ein Jahr wird in Finanzhaushalten sehr selten gedacht. Und am Ende des Jahres werden die Rester für manchmal haaresträubend sinnlose Sachen rausgehauen. Auch hier wäre es der Qualität manchmal sehr dienlich, längerfristig zu denken.
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Guntram

Wenn Köhler NEIN sagt, was nur Konsequent wäre, würde das ganze Kartenhaus das Schröder aufgebaut hat in sich zusammenbrechen.

Dann müßten die Grünen wenn sie Konsequent wären die Koalition kündigen. Würden sie es nicht tun wäre das der Beweiß dafür das sie endgültig genauso machtgeil sind wie alle anderen Parteien und um wirklich jeden Preis an der Macht bleiben wollen.

Konsequenz wäre dann das "Konstruktive Mistrauensvotum", das aber keiner stellen wird, da keiner eine Mehrheit hätte. Dann wäre das Dilemma perfekt und Schröder könnte die Vertrauensfrage ein zweites Mal stellen oder vielleicht doch zurücktreten. Wie auch immer er ist der große Verlierer und Deutschland vorübergehend ohne handlungsfähige Regierung. Das hat bisher noch keinr geschaft. Möglich wäre auch noch eine große Koalition (was uns hoffentlich erspart bleibt).

Falls Köhler JA sagt stehen immer noch die Klagen vor dem BVG an und die Richter in Karlsruhe waren beim letztenmal schon sehr kritisch.

Wie auch immer es ist gar nicht so einfach kein Kanzler mehr sein zu wollen. Man kann nicht einfach aufhören wenn man keine Lust mehr hat. Für den einfachen Satz "Ich trete als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zurück" ist er zu feige. Sich vom Wahlvolk zurücktreten zu lassen ist für sein Ego einfacher. Er kann sich dann nämlich in die Tasche lügen: "Ich habe nicht versagt, was ich getan habe ist gut, nur das Volk hat mich nicht verstanden und mich nicht mehr gewählt."
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Sandra

ZitatCDU/CSU/FDP muß doch eigentlich nichts machen außer warten
Das ist genau das, was mich so ärgert: Das stimmt einfach nciht. Denn sie sollten vielleicht auch Konzepte haben? Aber die finden, warten reicht.
Und weisst du, warum sie das finden? weil - wie Bassmeister ganz richtig sagt, viele der Dinge erst in einiger Zeit greifen werden - und dann sind sie am Ruder und können es sich selbst auf die Fahnen heften.
Du glaubst doch nicht, dass sie auch nur EINE einzige Sache, die Schröder gebaut hat, zurücknehmen werden?

ich glaube, Du fällst darauf rein, dass die meisten Medien in Deutschland einfach auf schröder hinhauen, und Merkel loben.
Stellt euch mal die Merkel vor, wenn sie neben Chirac oder Bush oder Putin steht - glaubt Ihr, die werden sie auch nur eine Sekunde ernst nehmen? Da nützt ihr das ganze Lifting nix.

Klar, Schröder war zögerlicher, als ihm gut tut. Andererseits wäre er noch viel schneller abgesägt gewesen, wäre er nicht so zögerlich gewesen - denn in Deutschland haben alle bei den ersten Anzeichen von: "Kinders, ihr seid in der realen Wirschaftswelt angekommen, jetzt ist Schluss mit dem süssen Leben" dermassen aufgeschrieen - keine Chance, da wirklich mehr zu tun.
Zumal, bei den Mehrheitsverhältnissen in der Regierung  - da KANN man nicht einfach alles durchsetzen. Es ist ja nicht so, dass er einfach sagt: ich will es so, und dann wird's gemacht.

Nein, nein, die Deutschen haben schon selbst dafür gesorgt, dass alles, was unpopulär ist, nicht so einfach zum Durchbringen ist. Ihn jetzt dafür zu geisseln, dass er's nicht durchgebracht hat, ist ziemlich kurz gegriffen.
Zuerst hat man ihn Immobilisiert, und dann hat man geschimpft, dass er immobil ist.

Und kaum, dass man merkt, er strauchelt, schon stellen ihm alle NOCHMAL das Bein. Und liegt er am Boden, treten alle hin.
Ein Verhalten, dass ich bis anhin eher den Österreichern zugeschrieben hatte.

Und Frau Merkel kriegt überall Lobeshymnen, ohne dass sie auch nur EIN vernüftiges Konzept vorzuweisen hätte, nur weil sie gerade den Duft des Siegers ausströmt.

Nicht, dass Schröder jetzt der grose Retter ist - aber Merkel ist es sicherlich noch viel weniger, denn die hat auch nicht begriffen, wo's langgeht, die will nur ihre Clientele bedienen - und ansonsten hat sie noch nicht die Idee, dass die Welt sich anders dreht als vor 10Jahren.

Guntram

#8
ZitatZumal, bei den Mehrheitsverhältnissen in der Regierung  - da KANN man nicht einfach alles durchsetzen. Es ist ja nicht so, dass er einfach sagt: ich will es so, und dann wird's gemacht.

Als Oskar damals zurücktrat schrieb eine Zeitung in einer Analyse, das Schröder am Anfang mehr Macht und Möglichkeiten hatte, als Kohl je gehabt hat, da er auch im Bundesrat über eine ausreichende Mehrheit verfügt hat. Wenn er damals seine Reformen schnell und konsequent auf den Weg gebracht hätte, könnte er heute Ernten.

Aber Rot/Grün hat den Start gründlich versiebt. Da wurden ein paar Wunschideen und Wahlgeschenke in unausgegorenen Gesetzen zusammengeschustert. Wo jeder Döddel gleich gemerkt hat das wird nichts + Ökosteuer und Ruckzuck war die Mehrheit weg. Die wußten damals mit ihrem Wahlsieg nichts anzufangen und waren Null auf die Regierungsübernahme vorbereitet. Wie ein paar Schulkinder die plötzlich Unterricht halten sollen.

Auffällig ist das die Reformen nur noch in außerparlamentarischen Gremien unter Leitung von Spezialisten verhackstückt wurden. Die Abgeordneten durften sie vor der Abstimmung noch ein bischen verwässern. Wo gibts das eigentlich das Gesetze nach dem Wasauchimmer-Vorsitzenden benannt werden.

Und zum Schluß: wie glaubwürdig ist ein Sozie der sich am liebsten in Armanianzügen mit dicker Havanna fotografieren läßt wenn er aus einem schweinteuren Auto aussteigt? Der ist doch in der falschen Partei. Mit seiner Kunst für Selbstinzienierung kann der doch sich selbst an jedem Theater spielen.
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Sandra

#9
Zitatwie glaubwürdig ist ein Sozie der sich am liebsten in Armanianzügen mit dicker Havanna fotografieren läßt wenn er aus einem schweinteuren Auto aussteigt?

Ist das nicht ein bisschen gar kurz gedacht? Was hat das damit zu tun, ob er nun oder ob er nicht gesellschaftspolitische Visionen hat, die auch Arme Menschen mit einbeziehen?
Wenn er viel verdient, soll er es geheim halten, damit ihn nicht der neid trifft?Erinnert mich ein bissel daran, dass die Rechten dem Konstantin Wecker vorgeworfen haben, er fährt Mercedes, also ist seine Weltanschauung nicht so, wie er vorgibt.

Wenn er jetzt sein Dienstmädchen unterbezahlt und ausbeutet - DANN ist das ein Grund, ihm was vorzuwerfen. Aber ob er jetzt Zigarre raucht und gerne chice Anzüge trägt - no, das ist doch wurscht. Es ist nicht KLUG von ihm - denn es ist klar, dass ihm sowas vorgeworfen wird. Aber es ist ziemlich oberflächlich, einen Menschen danach zu beurteilen.

Selbstinszenierung ist heute immer im Paket mit dabei, wenn jemand Macht will&kriegt. Auch Clinton hat sich selbst inszeniert, JEDER tut das - und wenn man sich die Veränderung anschaut, die Merkel in den letzten Monaten durchgemacht hat, kann man nicht sagen, dass sie nicht sehr viel Geld für Äusserlichkeits-Coachings ausgibt.

Aber ebensowenig, wie man Clinton für seine AMTSFÜHRUNG vorwerfen kann, wer ihm einen bläst, soll man den anderen auch nciht vorwerfen, was sie für Äusserlichkeiten tun.
An der Amtsführung kann und soll man kritiseren, und das kann man auch alles diskutieren. Aber über den Look zu diskutieren, da macht man es sich schon ziemlich leicht.


Guntram

Show und auftreten schön und gut und wenn jemand viel Geld verdient auch gut. Da bin ich nicht unbedingt neidisch.

Aber wenn einer einer Partei angehört die sich die Gleichheit aller und sozialer Gerechtigkeit verschrieben hat und dem dann noch die Großkotzigkeit aus den Knopflöchern strahlt für eine Politik verantwortlich ist die mir und anderen den letzten Euro aus der Tasche zieht, dann kann ich kotzen. Und zwar auf seinen Anzug den ich von meinen Steuergeldern mitbezahlt habe.

Womit ich nicht behaupten will Politiker verdienen zu viel, ist immer noch besser als wenn sie bestechlich sind. Aber ein bischen mehr Instinkt bitte. Man kann auch gut gekleidet sein, ohne das das Preisschild aus der Tasche schaut. Beim Essen kommt schließlich auch der wahre Schröder raus: Currywurst mit Pommes
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Sandra

Ich finde die Manager viel Schlimmer. Denn die gewähren sich noch schnell grosse Prämien, bevor sie die Leute rausschmeissen...
Herr Hartz - und DAS ist eine Verfehlung von Schröder, die viel mehr wiegt als seine Anzüge - der soziales Gewissen NULL hat, zum Beispiel, zeigt das jetzt ganz deutlich. VW entlässt hunderte - aber ER kriegt vorher noch Schmerzensgeld.
Und die Verfehlung ist, irgendwelche selbsternannten Experten mit allem möglichen zu betrauen, anstatt sich selbst mit der Sachlage auseinander zu setzen.

Dagmar

Und nicht zu vergessen: Herr Hartz wird zurück treten müssen, weil er in eine gigantische Schmiergeldaffäre verwickelt ist, bei der sich Betriebsräte haben bestechen lassen. Ich weiß nicht, wer mich mehr empört: Herr Hartz oder Betriebsräte, die ja ach so dicke linke Sprüche schwingen, einer realitätsferner als der nächste und eine Idee dämlicher und untauglicher als die nächste. Aber immer fleißig die Klappe aufreissen und hintenrum Bestechungsgelder und -güter annehmen. Herzlichen Glückwunsch!

@Guntram Du sprichst mir aus der Seele. So sehr, dass ich am liebsten alles nochmal wiederholen würde, was Du gepostet hast - aber ich will Euch nicht mit Redundanzen langweilen.

Wieso hat die Merkel keine Konzepte? Der amtsmüde und sich gerade elegant verpieselnde Schröder hat gemeinsam mit Münte nach der NRW-Wahl einen Überraschungs-Gag gelandet. Hat nicht ganz hingehauen, wie er sich das gedacht hat. Zu Recht übrigens! Ich fand und finde die ganze Operation eine unglaubliche Frechheit und Verarschung sondergleichen. Die Opposition war davon reichlich überfahren, und ich finde es ziemlich normal, dass die mal ein paar Wochen brauchen, bis sie auf die Schnelle mal eben einen Kandidaten gekürt haben und mal eben schnell ein Wahlprogramm auf die Beine gestellt haben. Das finde ich, muss man denen schon zugestehen. Dass sie kein Konzept haben, ist schlicht falsch. Dass es untauglich ist, um die momentanen Probleme zu lösen, ist sicher genauso richtig. Aber das ist etwas ganz anderes. Sie sagen klar, was sie machen wollen, was immer man davon hält (ich halte es für Mist, aber das ist ja jetzt hier nicht die Frage): Sie wollen mit einer MWSt.Erhöhung auf 18 % die Lohnnebenkosten senken und erwarten davon mehr Neueinstellungen, sie wollen die Bedingungen für Kleinbetriebe verbessern, in dem sie arbeitsrechtliche Erleichterungen einführen wie z.B. den Wegfall des Kündigungsschutzes (wie gesagt, was immer man davon hält. Es geht jetzt nur um die Frage, ob sie ein Konzept haben). Sie wollen eine Krankenversicherung für alle (also etwa ein Drittel mehr als jetzt sollen auch bezahlen) und wollen damit das Gesundheitssystem "reformieren". Das will die SPD auch. Weder das eine noch das andere wird den Totalzusammenbruch des Systems im Gesundheitswesen verhindern, sondern nur aufschieben. Sie wollen 50 Euro Rentenerlass für jede Familie, die ein Baby bekommt - ist zum Todlachen und reine Augenwischerei. Aber wie gesagt, es geht ja um die Frage, ob sie ein Konzept haben.

Deren Konzept - und das haben sie definitiv - ist genauso untauglich wie das von der SPD. Keiner der beiden traut sich an eine echte grundlegende Gesamtreform - das ist ja das Elend. Der Spiegel - um zum Ausgangsthema zurück zu kommen - hat die eine wie die andere Seite gleichermaßen in der letzten Zeit vorgeführt. Ich finde nicht, dass der Spiegel rechts geworden ist. ich finde, er ist langweilig geworden, verkündet Sachen, die man bereits am Wochenende zuvor im Netz lesen kann, investigativer Journalismus findet so gut wie gar nicht mehr statt. Der Spiegel ist nicht links geworden sondern behäbig - alt geworden, trifft es tatsächlich eher.

Ach so und nochwas: Wenn man restlos rückständige Konzepte sucht von vorvorvorgestern, bei denen man sich aussuchen kann, ob man sich totlacht oder vor Verzweiflung anfängt zu heulen: Dann möge man bei Lafontaine und seinen neuen Kumpels von der ehemaligen Stasi eines totalitären Regimes nachschauen.

Ubrigens: Mir ist nicht klar, warum Tante Merkel auf der internationalen Bühne von Bush und Co. nicht ernst genommen werden sollte? Keine S. interessieren international die deutschen Probleme und deren Lösungskonzepte - schon gar nicht G. Doubleju Bush. Das kann es nicht sein. Was dann? Dann bleibt nur, dass sie eine ziemlich machtbewußte und urplötzlich angehübschte Frau ist, die da plötzlich als Kanzlerin auftaucht. Das aber würde bedeuten, dass sie DESHALB nicht ernst genommen wird: Weil sie eine Frau ist. Das  halte ich für ausgemachten Blödsinn wie die neue Außenministerin der USA zeigt.

Ich stelle das alles nicht fest: Je nach politischer Farbe tendieren unterschiedliche Medien dazu Schröder auf oder ab und Merkel auf oder ab zu schreiben: Journalismus und Medien as usual eben.

Ich denke auch, dass die Wahl - sollte sie denn stattfinden - noch lange nicht entschieden ist, nehme aber in den unterschiedlichen Medien ganz unterschiedliche Rauf- und Runterschreibereien wahr. Das ist mir eigentlich auch ganz wurscht, weil mich vielmehr bewegt, dass ich nirgendwo zukunftstaugliche Konzepte entdecken kann, die mich wirklich überzeugen. DAS beschäftigt mich am meisten.

Ich würde mich riesig freuen, wenn Köhler, dem Antrag auf Auflösung des Bundestages NICHT zustimmt. So geht das nicht, und das empört mich auch: Hab ich keinen Bock mehr, schreie ich "ich will hier raus"?! Wo gibt es denn sowas. Das ist eine Frechheit - ich kann mir sowas nicht erlauben!
Je fester dir einer die Wahrheit verspricht, in Programmen und Predigten, glaube ihm nicht. Und geh' zu den Gauklern, den Clowns und den Narr'n: Dort wirst du zwar nix, doch das in Wahrheit erfahr'n.

Sandra

Ich fände das auch am Besten. Aber ich finde auch nciht, dass das mit den Kozepten stimmt. Erstens: Das alles haben sie schon vor der Wahlentscheidung geblabbert - und genau gewusst, dass es nicht wirklich ein Konzept ist - es sind ankündigungen, von dener jeder - wie Du auch sagst - genau weiss, dass sie null bringen.
Ein Konzept ist für mich schon was anderes.

Grundsätzlich gebe ich Dir Recht: Auch die angeblich neuen Linken um Lafontaine und Gysi kriegen nix hin ausser Populismus ála verstaubt.

Die ganze Situation ist ziemlich verfahren. Aber ich glaube auch, dass Merkel - nicht weil sie eine Frau ist, sondern weil sie so ne Gluckenhafte Biederfrau ist - sich ziemlich schwer tun wird. Es wird dauern, bis sie adäquat wahrgenommen wird - ihr Machtinstinkt ist nicht sofort erkennbar. Und ich glaube, sie hat's Aussenpolitisch auch einfach nciht so drauf - das kann ich aber mit nix ausser einem Gefühl belegen. Da steht ihr vielleicht ihre Geschichte im Weg, wasweissich.

Und ich glaube, dass deutschland an und für sich ziemlich unregierbar ist wenn die Länder so stark sind.

Dagmar

#14
Exakt: Das denke ich auch!! Die Föderalismusreform ist gescheitert - Leider! Ist mir auch wurscht, wer da was auf wen schiebt: Fazit: Ist gescheitert. Die Scheißländermacht killt dieses Land noch irgendwann einmal! Münte behauptet Stoiber war es, und Stoiber behauptet, Münte war es. Mir reicht es schon ziemlich lange mit solchen kindischen und regressiven  Allüren. Wir haben ernsthaftere Probleme. Ich habe das ja schon vor einiger Zeit in einem anderen thread angeregt (es war was mit Globalisierung): Es fehlen einfach angemessene Antworten auf die realen Herausforderungen unserer heutigen globalisierten Zeit. Blöderweise bin ich tatsächlich und sehr ernsthaft und ohne fishing-for-compliments zu doof und zu wenig kompetent in diesem Gebiet, um etwas wirklich Durchdachtes zur Diskussion zu stellen.

Und zu den "Konzepten": Nennt mir ein einziges Konzept - egal von welcher Farbe, das keine sinnlose Ankündigung hohler Wahlversprechen ist, die eh' nie eingelöst werden können (weil nach der Wahl nicht finanzierbar).

Die Merkel - wenn sie denn es überhaupt zur Kanzlerin schafft - wird aus meiner Sicht schon wahrgenommen werden: Die Tante wird sich schon durchbeissen - wahrscheinlich sogar mit den USA- und British-Fritzen recht rasch. Hilft nur nix weiter! DIE alle haben ja auch keine Antworten auf die globalen Herausforderungen.Egal ob wirschaftlich oder politisch - da geht es ausschliesslich um Konservativismus. "Wir sind gegen die Terroristen und kämpfen für Wirtschaftswachstum" - auf dem superdämlichen Niveau bewegt sich das doch! Ich bin sowas von sauer auf die alle und auch auf MICH - weil mir auch nichts Kluges einfällt, wie es denn anders gehen kann.
Je fester dir einer die Wahrheit verspricht, in Programmen und Predigten, glaube ihm nicht. Und geh' zu den Gauklern, den Clowns und den Narr'n: Dort wirst du zwar nix, doch das in Wahrheit erfahr'n.

Sandra

Jedenfalls, um auf das Thema des Threads zurück zu kommen: Wer sich die Titelbilder der letzten Monate im Spiegel anschaut, der merkt, wie da Meinungsmache betrieben wurde.

da isses dann nämlich auch ganricht mehr so wichtig, was IM Blatt steht. Titelbilder machen Meinung - alter Hut. (Und im Blatt selbst sind sie auch ziemlich tendenziös - komisch, in Österreich sagt das inzwischen jeder, aber vielleicht ist sowas von Aussen auch leichter zu erkennen)

Bastian

#16
Du hast vollkommen Recht, Sandra. Es ist brisanter als ich es wahrgenommen hab. Sogar noch brisanter. Ich hab heute mal ganz investigativ mit einem befreundeten spiegel- Mitarbeiter telephoniert, und er wies mich auf die Vorgänge um Noack hin. Hier ein Artikel aus der Süddeutschen:

Rücktritt oder was?

Nur eine Frage der Perspektive? "Spiegel"-Politikchef Hans-Joachim Noack hat sein Amt zurückgegeben. Die Umstände des "Rücktritts" bleiben unklar.
Von Kai-Hinrich Renner
 
Chefredakteur Stefan Aust dementiert den Rücktritt Noacks.
  
Womöglich ist ja alles eine Frage der Perspektive. Fest steht nur: Beim Spiegel ist vorletzten Freitag etwas Ungewöhnliches vorgefallen. Was genau, lässt sich schwer sagen.

Das liegt daran, dass sich von den drei Hauptpersonen dieser Geschichte nur einer äußert. Hans-Joachim Noack, Ressortleiter Deutsche Politik und trauriger Held des kleinen Dramoletts, lehnt jede Stellungnahme ab. Gabor Steingart, Leiter des Berliner Büros, der in dem Stück als Noacks Widersacher auftritt, weilt im Urlaub und ist nicht zu erreichen. Einzig Chefredakteur Stefan Aust hat auf Nachfrage ein erläuterndes (oder verschleierndes?) Fax geschickt.

Hier beginnen die Probleme, denn Austs Stellungnahme unterscheidet sich fundamental von den Berichten leitender Redakteure, die Zeuge der Vorgänge vom 10. Juni wurden.

Nach ihren Angaben ging das Stück so: Bei der Ressortleiterkonferenz kritisiert Noack, dass zum wiederholten Mal Gerhard Schröder als glückloser Kanzler – diesmal zum Thema Vertrauensfrage – den Spiegel-Titel zieren soll.

Der Politikchef regt statt dessen eine Geschichte über die Konzeptlosigkeit von Angela Merkels Union an. Aust signalisiert Zustimmung, Noacks Titel scheint beschlossen. Steingart, der per Videokonferenz zugeschaltet ist, schweigt. Stunden später erfährt Noack zufällig, dass Steingart seine Titelgeschichte ,,Eine Frage des Vertrauens" durchgesetzt hat.



Vertrauensfrage gestellt
Nun stellt der Deutschland-Ressortleiter die Vertrauensfrage: Er bietet Aust an, ihn von seinem Amt zu entbinden. Der Chefredakteur akzeptiert, unter der Bedingung, dass Noack bis Jahresende im Impressum als Ressortleiter firmiert. Man will die Sache nicht an die große Glocke hängen.

Folgt man Aust, kann es so aber gar nicht gewesen sein: ,,Eine solche Meldung entspricht nicht den Tatsachen." Demnach hat Noack den Chefredakteur nicht gebeten, ,,ihn von seinen Aufgaben zu entbinden, weil er mit der Berichterstattung im Zusammenhang mit der geplanten Vertrauensfrage des Bundeskanzlers nicht einverstanden sei".

Folglich ,,wird Herr Noack seine Funktion als Ressortleiter beim Spiegel bis zum Ablauf seines (von mir erst jüngst verlängerten) Vertrages ausfüllen".

Der Vertrag läuft noch bis Ende des Jahres. Und das macht die Sache erst richtig kompliziert, denn Aust schreibt auch, dass man ,,aufgrund der vorgezogenen Neuwahlen... die ohnehin geplante Nachfolge auf den 1. Juli vorziehen" werde.

Neuer Ressortleiter wird Noacks Stellvertreter Dietmar Pieper, neue Nummer zwei im Ressort Spiegel-Sprecher Hans-Ulrich Stoldt. Doch warum bekommt Noack zum 1. Juli einen Nachfolger, wenn er seinen Vertrag bis Jahresende erfüllt?

Weil die politische Linie des Blattes, wie Redakteure sagen, eh von Aust und seinem Berliner Büroleiter Steingart bestimmt wird – den nicht wenige für neoliberal halten?

Steingarts politisches Urteil wiederum schwankt: Er hat zunächst Hartz IV als Jahrhundert-Reform gefeiert und dann als Jahrhundert-Unglück verdammt. Das passt zu Äußerungen leitender Spiegel-Redakteure gegenüber Sozialdemokraten, die von der Absicht der Redaktionsspitze künden, die rot-grüne Regierung publizistisch bekämpfen zu wollen.

Ein Spiegel-Mann, der die Ablösung der Schröder-Regierung als Blattlinie ausgegeben haben soll, sagt dazu, seine flapsig gemeinte Bemerkung sei aus dem Zusammenhang gerissen. Und in der aktuellen Ausgabe findet sich auch eine Geschichte über die zögerliche Haltung der Kanzlerkandidatin Merkel – man kann ja nie wissen.
 
 

Sandra

Hihi - und ich bin meiner Zeit doch nciht so voraus, wie ich dachte - heute habe ich  in einem Cafe zufällig das profil (österreichischer Spiegel, quasi) von LETZTER Woche gesehen: Und da war genau zu dem Thema ein riesen Artikel drin, dass der Aust immer rechtser wird, und dass es auch intern gröbere Diskussionen zu den Ständigen Anti-Schröder-titelbildern gegeben hat und so.

brummel.
Und ich hab gedacht, ich komm da auf was Neues... ::)

Bastian

#18
Kopf hoch, meine Liebe. Immerhin ist es dir (im Gegensatz zu mir) selbst aufgefallen. Und das hat VIEL mehr Wert, als wenn du es, wie jeder andere, aus dem Profil hast. Mit deiner Nase im Wind der Zeit... findest du jedenfalls ein Korn im Heuhaufen.

Ich hatte es schon registriert, dass nur Schrö auf den Titeln war, aber hab mir gedacht, "die Themen stehen ja im Moment im Vordergrund, was soll man da tun?" Aber wenn selbst der Politikressortchef das anders sieht, ist wohl mit meinem Instinkt was nicht in Ordnung. Tja...

Jetzt sichere ich mir noch schnell ein naheliegendes Wortspiel: "Spiegelchen, Spiegelchen an der Wand..."